Seit 2007 erobert die kleine Street Triple weltweit das Herz der Menschen, hebt sich ab vom Standard und hat eine ganz neue Klasse an sportlichen Naked-Bikes hervorgerufen. Nun ist es an der Zeit die nächste Stufe zu erklimmen und im EURO4 Zeithalter auf´s neue zu bestehen und die Herzen weiter zu fesseln.
Gute 1 Jahr ist es her, da präsentierten die Briten knapp 150 Kilometer südwestlicher in Calafat die aktuelle Speed Triple R und zeigten, dass man mit Fokus auf Qualität und Detailarbeit, immer wieder einen draufsatteln kann. Rechtzeitig zum Saisonstart 2017 steht nun die kleine Schwester in der RS Version im Hinterland von Barcelona bereit um über verwinkelte spanische Landstraßen zu flitzen und später auf dem Curcuit de Catalunya auf Zeitenjagt zu gehen. Ein Landstraßenflitzer auf einer MotoGP Rennstrecke? Gewagtes Setting, aber auch eine klare Ansage!
Das Herzstück
Im Vergleich zum großen Bruder, wurde das auf dem Daytona 675 basierende Aggregat mit 80 überarbeiteter Teilen weiter optimiert und um 90 auf nunmehr 765 Kubikzentimeter vergrößert. Dadurch zieht das Triebwerk in der RS-Version mit sagenhaften 123 Pferdestärken und 77 Newtonmeter an der Kette, was einem Leistungszuwachs von 16% zur Vorgängerin entspricht. Entscheidend hierbei ist, dass der Drehmomentverlauf extrem linear verläuft und bereits bei 4000 Touren mehr Drehmoment anliegt als noch bei der alten Streety in der Spitze. Die Auspuffanlage wurde komplett verändert, deutlich kompakter und stylischer gestaltet. Dazu kommt bei den „R“ und „RS“ Varianten eine leichtere und besser ansprechende Anti-Hopping-Kupplung. Also auf dem Papier schon mal eine sehr gute Basis für die anstehende sportliche Landpartie.
Eine Street Triple für jeden Einsatzzweck
R-Version, RS-Version? Ja, die Street Triple gibt es ab sofort in gleich 3 bzw. 5 Varianten. Eine All-Rounder „S“ mit 113 PS, eine Landstraßenschreck „R“ mit 118 PS und die präsentierte Sportskanone „RS“ mit 123 PS. Dazu kommt noch eine um 30 Millimeter tiefere „R“ (LRH) und eine „S“ für den A2 Führerschein.
Ausstattungsseitig fehlt es allen an nichts – Ride-by-wire, ABS, Fahrmodi, LED-Blinker, abschaltbare Traktionskontrolle und ein umfangreicher Bordcomputer. Bei der „R“ und „RS“ ist dazu noch das ABS abschaltbar, sind die Tagfahrleuchten der Speed Triple R verbaut sowie selbstrückstellende LED-Blinker und eine 5 Wege Joystick für die Bedienung des justierbares 5 Zoll TFT Display. In der „RS“ ist des Weiteren der sonst nachrüstbare Quickshifter serienmäßig vorhanden sowie ein manueller Lap Timer integriert.
Neben der Leistung unterscheiden sich die 3 Varianten hauptsächlich im Fahrwerk und Display. So ist die „S“ mit der bekannten jedoch optimierten Cockpiteinheit ausgerüstet, Standard Showa Gabel und Federbein sowie Nissin Bremsen vorne und Brembo hinten. Bei der „R“ findet sich M4.32 Brembo vorne und höherwertige Showa Elemente sowie das 5 Zoll TFT-Display. Die „RS“ legt hier nun mit M50 Brembo, einer 41mm Big Piston Forks Gabel von Showa und STX40 Federbein von Öhlins einen drauf.
In Sachen Preise stellt die „RS“ auf den Ersten Blick mit 11.600 Euro mal ein richtiges Pfund in den Raum. Was aber angesichts der edlen Ausstattung akzeptabel ist. Für gut 2.700 Euro weniger bekommt man schon die solide ausgestattete „S“ und für 10.200 Euro die wirkliche Landstraßenqueen „R“. Beim A2-Modell ist man sogar mit 8.500 Euro dabei. Die preislichen Abstufungen sind hier auf Basis der Ausstattung sehr gut und Nachvollziehbar gewählt.
Zu böse für die Landstraße?
Mit 123 Pferdestären und Supercorsa SP ging es gleich früh morgens bei Nebel und knapp 6 Grad – unsere RS hatte die optionalen Heizgriffe montiert – auf eine gut 150 Kilometer lange Landstraßenrunde mit dem Ziel Curcuit de Catalunya.
Gleich beim Anlassen vernimmt man klassische Töne. Trotz des Volumenmäßig gewachsenen Motors, hat die Streety ihren charakteristischen Sound, ihr „Pfeifen“ beibehalten. Dies mag sicher nicht jeder, doch gehört es zu ihr wie lila zu Milka. Auch bei der Sitzposition und Ergonomie lässt die Engländerin nichts anbrennen. Sie positioniert ihren Piloten einem sportlichen Naked-Bike angemessen sehr Vorderradorientiert und insgesamt direkt am Tank. Dies mag sicher auch mit dem wunderschön verarbeiteten und sportlich geformten Solositz der RS zu tun haben, der einem automatisch nach vorne „rutschen“ lässt. Der Knieschluss ist auf jeden Fall angenehm und nicht so bullig wie bei der Speed Triple. Trotzdem bietet sie auch groß gewachsenen Fahrern ausreichend Platz.
Dreht man beherzt am elektronischen Gasgriff, so quittiert sie es mit direktem, sehr gut dosierbarem und nachhaltigem Vortrieb sowie mit einem tiefen und bösen Brummen aus der Airbox was einen absolut süchtig macht. Man ertappt sich dabei, immer wieder mit kurzen Gasstößen das Fauchen zu erzwingen. Achtet man nur mal auf den Auspuffsound, so ist dieser für die Umwelt sehr angenehm gehalten, der Pilot hingegen bekommt den sportlichen Klang direkt von vorne geliefert. Tolle Soundtechnik für die leidgeplagten Anwohner an klassischen Motorradstrecken.
Suchtpotential bietet aber auch die extreme Agilität und Dynamik auf schnellen verwinkelten Bergstraßen. Durch die tadellos und unspektakulär arbeitende Traktionskontrolle sowie ABS, wächst schnell das Vertrauen ins Bike und man räubert die Passstraße nur so hoch, schwingt sich von Kurve zu Kurve, genießt das Fauchen beim rausbeschleunigen und fühlt sich irgendwie unbezwingbar. Diese Leichtigkeit verleitet aber auch dazu, sich während der Fahrt näher mit dem extrem ansprechend und immer gut ablesbaren TFT-Display zu beschäftigen, was für die Aufmerksamkeit nicht gerade förderlich ist.
Fahrwerksseitig legt die Street Triple zur Vorgängerin nochmal eines drauf. Mit der Showa BPF Gagel und dem von Öhlins eigens entwickelte Federbein, sowie der um 4mm weiter oben positionierten und verwindungssteiferen Schwinge, liegt das Bike selbst auf schlechteren Straßen sicher und satt. Die Brembo M50 Monoblöcke verzögern dazu noch brachial.
Mit der RS will man immer mehr, will man noch später bremsen, noch früher ans Gas gehen, noch tiefer in die Kurve legen – vielleicht dann auch mal zu viel?!
Wähle den richtigen Modus
Trackmodus auf der Landstraße macht zwar mächtig Spaß, unterstützt aber sicher nicht den Punktestand in Flensburg. Diesen wird jedoch eh nur bei der RS-Version angeboten, der sich nach dem Abstellen bzw. ausschalten der Zündung immer wieder auf Sport zurückstellt. Nervt auf dem Racetrack, bringt aber auch eine gewisse Sicherheit mit sich, wenn man nach einem Trackday entspannt auf eigener Achse heimreisen möchte und nicht dran denkt, dass hier ABS und Traktionskontrolle extrem spät eingreifen oder man beides gar in einem der frei programmierbaren Modi ausgeschaltet hatte.
So ist man mit dem „Sport“ Modus für eine schnelle Landpartie mehr als gut aufgestellt. Und sollten die Verhältnisse schlechter oder es gar nass werden, so stehen noch „Road“ und „Rain“ zur Verfügung, welche bei der S-Version die einzigen beiden Modi sind. Der Unterschied bei den einzelnen Fahrmodi liegt rein im Drehmomentverlauf sowie Regelbereich von ABS und Traktionskontrolle. Die Spitzenleistung bleibt in jeder Einstellung gleich hoch.
Die Street Triple als Multifunktionsgerät
Um den von Triumph bei der Street Triple steht’s im Fokus stehende Multifunktionsnutzen zu unterstreichen, ging es direkt von der Landstraße in Box 1 des Curcuit de Catalunya. Es wurde nichts geändert, nur der Luftdruck angepasst und die noch immer unschlagbar guten Pirelli Supercorsa SP vorgeheizt.
Also, Zündung an, Trackmodus mit dem Mode-Button wählen, Gang rein und ab geht´s. Was auf der Straße schon mächtig gut funktionierte, konnte auf der Rennstrecke richtig ausgelebt werden. Das 765 Kubikzentimeter Triebwerg schiebt linear und bereits von ganz unten bis kurz vor 11000 Touren an. Das Fahrwerk tariert die 166 Kilogramm (trocken) leichte Streety perfekt aus, sodass man sehr schnell das nötige Gefühl für´s Bike und die Strecke bekommt.
Sie lässt sich spielerisch und in die Ecken werfen, zieht aber auch mega stabil ihre Linie bei voller Beschleunigung mit ordentlich Schräglage durch. Dazu kommt noch der bärige Sound aus der Airbox, sodass man Runde um Runde schneller und süchtiger nach noch mehr von allem wird.
Das Getriebe kommt mit der Mehrleistung super klar und lässt sich sehr präzise und weich mit dem bei der RS Serienmäßig verbauten Quickshifter ohne Kupplungsbetätigung durchschalten. Allerdings nur nach oben, denn beim runterschalten muss die Kupplung zu Hilfe genommen werden, was zwar auch sehr gut funktioniert, in der heutigen Zeit und gerade bei dem Premiumanspruch von Triumph nicht mehr state of the art ist. Gerade Ende Start-Ziel, wenn man 3 Gänge runterhämmert, wäre eine Blibber-Funktion sehr nützlich.
Display
Gerade für den Rennstreckenbetrieb haben sich die Entwickler in Sachen Display was wirklich tolles einfallen lassen. So gibt es neben den 3 normalen Anzeigen noch 3 weitere auf Racing optimierte Styles, die zB. Drehzahl, Gang, Schaltblitz und Rundenzeit deutlich mehr in den Fokus rücken.
Insgesamt ist das Cockpit mit seinem 5 Zoll Farbdisplay ein wirklicher Hingucker. Der Flyscreen ist nun sofort verbaut und rahmt die in der Neigung verstellbare Einheit sehr kompakt ein, sodass jeder den perfekten Blick auf die Anzeigen haben kann. Auch stellt sich Kontrast und Helligkeit entsprechend ein, was die Ablesbarkeit bei unterschiedlichen Lichtverhältnissen deutlich erhöht. Unnötige Freiräume wurden vermieden, was die Front edler erscheinen lässt als noch bei der Vorgängerin.
Würdiges T-Cup Gerät
Für den letzten Turn legten die Triumphmechaniker dann doch noch etwas Hand ans Fahrwerk an. Durch die eher durchwachsenen Vortage, hatten die Maschinen eine eher softe Abstimmung erhalten, die bei voller Belastung auf dem Track dann doch an ihre Grenzen kam. Also wurden die Fahrwerkselemente in Summe etwas straffer abgestimmt und entsprechend im Niveau angepasst.
Was für ein Unterschied! Gerade beim harten rausbeschleunigen im 2.Gang, brachte diese Änderung noch mehr Ruhe und Grip ins Gerät. Die Streety wurde in Summe etwas steifer, verlor aber nichts an ihrer Agilität.
Ende Start-Ziel aus knapp 230 Kilometer pro Stunde (auf der langen Gerade wirkte sich meine suboptimale Windschlüpfrigkeit dann doch eher negativ aus) Anker werfen, rechts und gleich links umlegen, ewig lange rechts bergauf, weit raushängend im Hangoff mit ordentlich Schräglage, durchbeschleunigt und den 4.Gang reinziehen, raustragen lassen bis an die Curbs, und fast schon auf ihnen die nächste Rechts hart anbremsen. Mehr als 90 Grad rechts, kurz durchbeschleunigen, rechts außen anbremsen, 2.Gang, 180 Grad bergab. 3.Gang bis zum Drehzahlbegrenzer, von weit außen kommenden links-rechts über die Curbs, bergauf, blinde rechts im 3. Gang, nur kurz das Gas lupfen und im Scheitel wieder ohne das Ende der Kurve zu sehen voll durchziehen. 4.Gang bis knapp 200. Extremes anbremsen, zwei Gänge runter, linken Spitzkehre von weiter hinten nehmen und schnell wieder aufrichten. Vollgas, 3.Gang, links und schnell wieder in eine lange rechts. Geduldig das Gas halten und rechtzeitig aufziehen, raustragen lassen zu den Curbs, kurz Vollgas und wieder anbremsen der neuen Schikane. Rechts runter, aufpassen das man nicht mit der Raste aufsitzt, gleich wieder links über die Curbs und rechts runter auf die Start-Ziel-Kurve. Gas früh aufziehen, raustragen lassen und Vollgas zum nächsten Umlauf.
Spätestens jetzt war klar, dass es nicht gewagt war auf solch einer Strecke eine 765 Kubikzentimeter Bike zu präsentieren. Es war viel mehr eine klare Ansage für die neue T-Cup Saison, welche übrigens für jeden Hobbyracer eine Überlegung sein sollte, denn für sagenhafte 11.990 Euro bekommt man nicht nur die RS sondern noch jede Menge Ausrüstung und Teile.
Selten so entspannt und doch schnell um den Kurs gebrannt. Suchtgefahr!
Fazit
Triumph hat ihre beliebte Street Triple nicht nur fit für das EURO4 Zeitalter gemacht, sie haben mit der RS ein Naked-Bike hingestellt, das der aktuellen 1000der-Fraktion auf einer flotten Landstraßenrunden das Fürchten lehren wird und das sich auf der Rennstrecke vor nichts verstecken muss. Optisch ist sie noch immer unverwechselbar und dank ihrer edlen Verarbeitung ein echter Hingucker. Soundtechnisch haben die Ingenieure großes geleistet und eine Klangkulisse entworfen die unsere Umwelt schont, den Piloten aber in seinen Bann zieht. Einzig beim Quickshifter hätten die Engländer noch den Blibber für die Bestnote draufsetzten müssen.
Fazit in Punkten
Positiv:
– Agil aber doch stabil
– mega Sound
– toller Motor
– extrem ansprechendes und funktionales TFT-Display
Negativ
– fehlender Blibber
Text:
Rainer Friedmann ‚Kraftrad‘
Bilder:
Rainer Friedmann ‚Kraftrad‘, Triumph, Matteo Cavadini, Arnau Puig
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