MotoGP Weltmeistergeräte von Honda

RC212V (2007 bis 2011)

Das technische Regelwerk für die MotoGP wurde für die Saison 2007 neu gefasst, wobei der Hubraum der Motoren von 990 cm³ auf 800 cm³ reduziert wurde. Daher musste sich HRC erneut an die Arbeit machen und schuf eine neue Maschine für die zweite MotoGP-Ära.

Bei der Konstruktion der RC212V flossen zahlreiche Erfahrungen aus der Zeit mit der RC211V ein. Es handelte sich jedoch um ein komplett neues Motorrad, das von einem V4-Motor angetrieben wurde. Schon zu Beginn der Saison 2007 wurde schnell klar, dass sich die 800er- sehr stark von den 990er-Maschinen unterschieden.

Die kleineren Motoren erzeugten weniger Leistung und weniger Drehmoment. Also erforderten die Motorräder einen anderen Fahrstil. Von nun an waren hohe Kurvengeschwindigkeiten der Schlüssel zum Erfolg, da das zuvor praktizierte Herausdriften und frühe Aufstellen des Motorrads nun deutlich weniger Speed-Vorteile einbrachte.

Der V4-Motor mit seinem engen Zylinderwinkel ermöglichte Spitzendrehzahlen jenseits der Marke von 18.000 U/min – rund 2.000 U/min mehr als sein leistungsstärkerer Vorgänger. Möglich wurde dies durch den Einsatz von pneumatischen Ventilfedern, die für eine bessere Ventilkontrolle bei hohen Drehzahlen sorgten. Die steilere Leistungskurve bei den 800ern verlangte zudem eine bessere Steuerelektronik, einschließlich Anti-Wheelie-System, Traktionskontrolle und einer Launch Control für den Rennstart. Die Evolution der Elektronik war damit die bedeutendste Entwicklung während der 800-cm³-Ära.

Bemerkenswerterweise erzielten die 800-cm³-Maschinen auf den meisten Strecken schnellere Rundenzeiten als die 990-cm³-Maschinen, denn ihre höhere Geschwindigkeit in den Kurven machte die leichten Einbußen bei Beschleunigung und Höchstgeschwindigkeit mehr als wett. Selbst auf dem superschnellen Kurs von Mugello – wo Pedrosas RC212V einen Topspeed von 317,6 km/h erreichte – war seine schnellste Runde nur 0,037 Sekunden langsamer als der 990-cm³-Rundenrekord.

Die RC212V war nicht auf Anhieb so erfolgreich wie seinerzeit die RC211V. Die Maschine erforderte von den HRC-Ingenieuren umfangreiche weitere Entwicklungsschritte, in deren Zuge sie bei ihrer Arbeit am Motor, am Chassis und an der Elektronik viel lernten. Mit Erfolg, denn mit der Zeit wurde auch dieses Modell zu einer Maschine, die Weltmeisterschaften gewann.

Die Herausforderung bestand darin, trotz der höheren Spitzenleistungen des kleineren Motors eine fahrerfreundlichere Leistungsabgabe zu erzielen. Mehr denn je wurde dieses Ziel erreicht, indem die Motorperformance mit einer hochentwickelten Elektronik kombiniert wurde.

Am Ende der 800er-Ära führte Honda zwei wichtige Technologien vom Formel-1-Programm des Unternehmens ein.

Im Jahr 2010 wurde erstmals ein Drehmomentsensor auf der Abtriebswelle des Getriebes montiert. Dieser sogenannte Torductor maß die Leistungsübertragung auf das Hinterrad, und die Elektronik sorgte dafür, dass diese Werte in Echtzeit mit dem Motor feinabgestimmt wurden. Auf diese Weise konnten die Fahrer jederzeit mit maximaler Leistungsabgabe fahren.

Im darauffolgenden Jahr kam das Seamless-Getriebe, mit dem ein schnelleres und sanfteres Schalten möglich wurde. Dies brachte einen kleinen Vorteil bei der Beschleunigung auf den Geraden und einen sehr großen Vorteil beim Durchfahren von Kurven, denn nun konnten die Fahrer auch bei hohen Schräglagen schalten, was zuvor ziemlich riskant war.

Das Seamless-Getriebe der RC212V zeigt anschaulich die hohe Ingenieurskunst sowie die Vernetzung der Entwicklungsabteilungen bei Honda. Ähnliche Getriebe wurden schon seit einer Weile bei F1-Fahrzeugen eingesetzt, doch niemand hatte bisher den Versuch unternommen, diese Technologie in ein Getriebe in Motorradgröße zu packen. Hondas erstes MotoGP-Seamless-Getriebe war wie ein Uhrwerk im Inneren der Maschine.

HRC probierte zudem unzählige Chassis-Konzepte für die RC212V aus, mit dem Ziel, den besten Kompromiss zwischen leichtem Handling bei niedrigen Geschwindigkeiten und hoher Stabilität im Highspeed-Bereich zu finden. Die Ingenieure begannen mit einem herkömmlichen Aluminium-Rahmen, der aus CNC-bearbeiteten Abschnitten hergestellt wurde. Im Jahr 2010 wurden dann Tests mit einem Verbundwerkstoff aus Carbonfaser und Aluminium durchgeführt, und gleichzeitig erfolgte eine Umstellung auf Öhlins-Federbeine. Als Casey Stoner den MotoGP-Weltmeistertitel 2011 im Sattel einer RC212V holte, gelang ihm dies mit einem Vollaluminiumrahmen.

Die Leistungssteigerungen in der fünfjährigen 800-cm³-Ära waren ebenso beeindruckend wie jene in den 990er-Jahren. Im Jahr 2011 waren die 800er in Mugello fast zwei Sekunden pro Runde schneller als die 990er beim Gran Premio d’Italia im Jahr 2006.

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