Optisch Retro, Technisch Zukunft
Am nächsten Morgen ging es leider auch schon wieder in Richtung Heimat. Dies allerdings mit einem großen Bogen über den Kühtai, Leutasch und quer durch´s Allgäu nach Ulm und Stuttgart. Also wieder die Seitentasche ran, aufsitzen, Starterknopf drücken und ab. Ja, der Schritt mit dem Zündschlüssel fehlt, da inzwischen Keyless-Go auch hier Einzug hält. Der Schlüssel muss nur in entsprechender Reichweite (die übrigens nicht zu groß ist) mitgeführt werden. Den klassischen Schlüssel braucht´s quasi nur noch zum Tanken und Lenkradschloss bedienen.
Die Scambler 1200XE vermittelt zwar eine Retro Optik, in ihr steckt jedoch feinste Elektronik. Und gleich am Morgen durfte selbige ihr Können unter Beweis stellen, denn auf der herbstlich feuchten Passstraße, musste der ein oder anderen enthusiastischen dreh am Gasgriff einbremst werden. Die individuell einstellbare Traktionskontrolle regelt hier selbst im sportlich ausgelegten Sport-Modus rechtzeitig und sanft ein und kann je nach Einstellung bis zu 50 Prozent Schlupf zulassen. Möglich macht dies eine in der XE-Variante verbaute Trägheitsmesseinheit (IMU), die neben der reinen Traktion das abschaltbare Kurven-ABS sowie schräglagenabhängige Driften steuert.
Insgesamt stehen 6 Fahrmodi („Rain“, „Road“, „Sport“, Offroad“, „Offroad Pro“ und ein individuell konfigurierbaren „Rider“) zur Verfügung, sodass in jeder Lebenslage man entsprechend das Bike abstimmen kann. Es fehlt also an nichts? Doch! Ein drehzahlabhängiger Blipper oder wenigstens Quickschifter zum Hochschalten wäre schon schön.
Ein sehr schönes Detail ist auch der voll-LED-Scheinwerfer mit seinem wunderschön gearbeiteten Schutzgitter, welches zum putzen bzw. entfernen von Fliegen sicher kein Spaß macht, optisch der Scrambler aber mächtig gut steht. Der Scheinwerfer bietet ein recht helles Tagfahrlicht oder normales Fern- und Abblendlicht, dass die Straße gut ausleuchtet. LEDs findet sich natürlich auch am Heck und bei den Blinkern die individuell konfigurierbar sind, sodass kurzes antippen dreimal blinkt für den Spurwechsel und längeres betätigen entsprechend länger blinkt bis er automatisch abschaltet – muss man sich teilweise erst dran gewöhnen, klappt dann aber hervorragend.
Sie kann auch Autobahn
Quer durchs Allgäu über verschlungene Sträßchen, gepaart mit flotten Passagen, machen wirklich süchtig und lassen die Zeit vergessen. So war es dann nach einem Kaffeestopp im romontischen Antik Hof Café Westernheim notwendig, schnell ein paar Meter auf der Autobahn zu absolvieren. Eigentlich wollte ich diese meiden, da es so aufrecht sicher keinen Spaß machen würde. Pah – Pustekuchen! Ordentlich anschieben kann der 2-Zylinder ja und so ging es flott mit circa 170 Km/h (weiter wie 183 Km/h nach Tacho ging´s nicht, elektronisch abgeriegelt) konstant über mehrere Kilometer. Dabei überrascht die Scrambler mit stoischer Ruhe und Stabilität trotz des geringen Windschutzes und den langen Federwegen. Und muss man doch mal beherzter in die Bremse greifen, so taucht die Front natürlich recht tief an, verzögert aber brachial und absolut Stabil. Darauf hätte ich nie gewettet und bin nur extrem überrascht.
Fazit
Die 2 Tage mit Ihr sind nun nach knapp 800 Kilometern auch schon wieder Geschichte, werden aber sicher lange in Erinnerung bleiben. Natürlich ist die Scrambler 1200XE kein Touren-Bike mit mächtig Wind- und Wetterschutz, sie ist auch kein Sport-Naked-Bike zum Speedcruisen auf der Landstraße und Sie ist auch keine Enduro mit der man eine Rally bestreiten will (wobei der kalifornische Stuntfahrer Ernie Vigil dies mit ihr bei der Rallye NORRA Mexican 1000 erfolgreich getan hat) – sie sagt zu einem aber auch nicht nein lass das!
Triumph hat es geschafft den Begriff Scrambler in vollen Zügen mit Leben zu füllen und mit der 1200 XE ein Stück Freiheit und Unbeschwertheit uns geben. Im Grunde kann man mit ihr die Welt bereisen, da sie auf und neben der Straße entspannt bewegt werden kann und unter ihrer detailverliebten und sehr gut verarbeiteten Retro-Optik mächtig viel nützliche Technik versteckt. Egal ob man täglich mit ihr zur Arbeit fährt, danach zum Posen an die Eisdiele und dann im Dreck sich einsauen möchte – die Triumph Scrambler 1200 XE ist am Start. Sie macht süchtig und man möchte gar nicht am Ziel ankommen.
Positiv
- Top Verarbeitung und Ausstattung mit wunderschönen Details
- Durchzugsstarker und agiler Antrieb mit mehr als ausreichend Leistung
- Perfekt abgestimmtes Fahrwerk für Gelände und Straße
- Knackiger aber nicht aufdringlicher Sound
Negativ
- Hitzeentwicklung am rechten Bein kann lässig werden
- 1,75 Meter sollte man schon groß sein
- Für den Einsatz im Gelände im Grunde zu schade ;-)
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