Stillstand ist Rückschritt! So einfach die Gleichung klingt, so schwer ist die Umsetzung inzwischen geworden. Denn aktuelle Straßensportreifen der Premiummarken bewegen sich heute auf einem Niveau, dass vor Jahren im professionellen Rennsport gerade so erreicht wurde. Und doch schaffen es die Ingenieure immer wieder aufs Neue, noch mehr Performance auf den Asphalt zu bringen.
Mit 14 Jahren MotoGP Erfahrung im Gepäck ging es auf eine der wohl spektakulärsten Rennstrecken dieses Planeten – nach Abu Dhabi auf den Yas Marina Circuit, wo Brigdestone seine nächste Evolutionsstufe, den Battlax Hypersport S21 der Weltpresse unter Flutlicht präsentierte.
Auf dem Papier soll er deutlich kurvenstabiler und zielgenauer sein sowie mehr Grip bei einer um 36 Prozent gestiegenen Laufleistung im Alltagsbetrieb bieten. Mit diesen Aussagen lehnen sich die Bridgestone-Techniker schon mal weit aus dem Fenster und geben uns Kunden einen klaren Wert zum Vergleichen an die Hand.
Was steckt hinter den Marketingüberschriften?
Durch den MotoGP-Ausstieg konnte Bridgestone seine Ressourcen neu verteilen und verstärkt in die Entwicklung für Straßenreifen stecken. So wurde der S21 unter anderem mit der Hilfe des „Ultimate Eye“ Simulations- und Testprüfstandes entwickelt was im Wesentlichen einer überdimensionalen Asphaltwalze entspricht auf der in einer reproduzierbarer Umgebung Runden um Runden abgespult werden konnte.
Das Ergebnis – der S21 wurde vorne spitzer konstruiert und geht somit weiter in Richtung Slick-Kontor, was das Handling gerade im Kurveneingang präziser und vertrauensvoller macht. Hinten geht man etwas zurück und flachte die Kontor leicht zum S20 EVO ab um mehr Grip aufbauen zu können. Des Weiteren teilt man den hinteren in 5 und den vorderen in 3 Zonen mit 3 bzw. 2 unterschiedlichen Mischungen auf, wovon die äußere der eines Slicks extrem nahe kommt. Unterm Strich erhält man eine perfekt abgestimmte Reifenpaarung, die allerdings keine Kombination zwischen S20 EVO und S21 möglich macht.
Mischungstechnisch haben die japanischen Gummientwickler wohl ganze Arbeit geleistet. Denn 36 Prozent mehr Laufleistung ist mal eine Ansage die den Konkurrenten sicher die ein oder andere schlaflose Nacht bereiten wird. Absolut gesprochen werden so aus 4.000 Kilometern schnell mal derer 5.500, was bei einer sportlichen Dolomiten-Tour genug Reserven offen lässt. In Punkto Profildesign blieben die Entwickler aber eher konservativ bieder. Sicher kommt der S21 optisch sportlicher als seine Vorgänger daher, doch so richtig ansprechend finde ich das Design nicht. Bei allen Optimierungen, soll der Nassgrip dem des S20 EVO entsprechen – und der war in dieser Klasse schon immer Konkurrenzlos.
Schöne technische Beschreibungen, die es nun gilt auf der Strecke wenigstens in Teilen zu erfahren, denn auf Nassgrip durften wir Gott sei Dank verzichten.
5 Sterne Racetrack – die ersten Meter
Es wird Abend in Abu Dhabi, das Thermometer zeigt noch immer angenehme 25 Grad an, letzte Sonnenstrahlen streicheln sanft über die imposante Kulisse des 5.554 Meter langen Yas Marina Circuit, knapp 40 mit nagelneuen Bridgestone S21 besohlte Sportmotorräder werden gestartet, es ist soweit!
Hinter Superbike WM Piloten Joshua Brookes geht es auf der Kawasaki ZX10-R Ninja raus erste Eindrücke sammeln. Diese waren jedoch weniger vom Reifen und mehr von der unglaublichen Anlage im Wüstenstaat. Fährt man doch vorbei an Jachthäfen, unter dem festlich beleuchteten 5 Sterne Yam Viceroy Hotel durch, vorbei an Restaurants in denen Gäste es sich auf der Außenterrasse schmecken lassen und das Treiben aufmerksam verfolgen. Kommt man Mauern und Leitschienen extrem nahe und bremst aus weit über 240 Kilometern pro Stunde Kurven an, die eine Auslaufzone – nennen wir sie lieber erweitere Bremszone – von gerade mal 5 bis 10 Metern haben bevor eine mit Werbeaufschriften verschönerte Mauer auf einen wartet.
So bot der erste Turn nicht wirklich die Möglichkeiten, den Reifen zu erleben. Wobei die ein oder andere Schreckbremsung – ging es plötzlich in ein 90 Grad-Eck, wo die Runde zuvor noch eine Gerade war…..es geht doch nichts über Streckenkenntnis – gerade dem Vorderrad all seine Qualitäten abverlangte. So blieb die Front extrem stabil und lies sich sehr willig einlenken bei praktisch keinem Aufstellmoment.
Grip ohne Ende – der Bridgestone S21
Der Streckenverlauf war langsam im Kopf und so durfte im zweiten Umlauf die Ducati 959 Panigale den S21 nun unter Flutlicht fordern. Viel gibt es hier nicht zu sagen, denn die japanisch-italienische Paarung funktionierte so phantastisch, dass dieser Turn zu einer wahren Freude wurde. Auf der Bremse super stabil, beim Einlenken extrem genau mit sehr feinfühliger Rückmeldung und am Gas so direkt und nachhaltig, dass man auf eine Traktionskontrolle quasi verzichten konnte.
Im dritten Umlauf war die Honda Fireblade SP an der Reihe, auf deren Testfahrt ich mich besonders freute. Durfte ich doch in die Vorgänger S20 und S20 EVO auf der CBR1000RR bereits ausgiebig erleben.
Erste Frage gleich mal vorweg: 50ziger oder 55ziger Querschnitt? Eine Frage die Firebladetreiber mit ABS schon seit Jahren umtreibt, denn zugelassen ist nur der 50ziger Querschnitt, State of the Art aber der 55ziger. Antwort: Sie hat einen 55ziger, der aber so in Deutschland von Bridgestone keine Freigabe erhalten wird, da die Bewertungen beim TÜV extrem unterschiedliche ausfallen.
Nur mit ABS und einer gefühlvollen Gashand ging es raus. Der Reifen mit vorne 2,3 und hinten 2,1 Bar (jeweils kalt) war handwarm, was dem Grip in der Ersten schnellen langgezogenen bergab Rechts nach Boxenausfahrt nicht anzumerken war. Also ging es sofort ans Gas um gleich mal ein paar fliegende Runden hinzulegen.
Eine Runde im Scheinwerferlicht
Ende Start-Ziel, hartes Anbremsen, links und nochmals links, passt. Schnelle langgezogene Rechts über die Kuppe, gefühlt den Ellenbogen am Boden, die Fireblade liegt absolut ruhig und voll auf Zug. Anbremsen der Schikane aus gut 210 Kilometer pro Stunde auf 80, präzise und punktgenau. Links und gleich wieder Rechts, geht spielerisch. Kurz Gas, runter in den ersten Gang und 180 Grad links am wohl langsamsten Teil der Strecke. Früh aufrichten, Drosselklappen mit etwas Gefühl voll auf, die Front blickt schnell in Richtung Nachthimmel, der S21 krallt sich in den Asphalt, tolles Gefühl. Kleine schnell Schikane und wieder raus auf die Gerade – Vollgas. Extrem hartes anbremsen auf die nächste langsame Schikane, Gänge schnell runter, die Antihoppingkupplung darf arbeiten (ist halt doch ein Formel 1 Kurs mit viel Stopp and Go), die Front bleibt auf Spur, nur das Hinterrad fängt etwas zu tänzeln und jammern an, ist aber gut kontrollierbar. Wieder schnelles Umlegen links rechts. Rechtzeitig ans Gas, aber Vorsicht, die Rechts hängt nach außen und quittiert zu optimistisches Angasen mit nem ordentlichen Rutscher, der sich aber schön ankündigt und gut kontrollierbar ist. Vollgas, die Front blickt wieder in Richtung arabischem Sternenhimmel. Lange Links unter Volllast, der S21 beißt weiter fest zu, Bäääm! Wieder extrem hartes Anbremsen bis tief in die Dreierschikane hinein, die Front bleibt unbeeindruckt, das Heck tänzelt leicht weiter, macht mächtig Spaß. Schnelles Umlegen links, rechts, links. Kurz Gas, Bremse antippen und eng an den rutschigen Curbs entlang auf das nächste schnell Teilstück mit zwei sehr schnell Rechtsknicken in Richtung Hotel. Wieder Neunzig Grad rechts, umlegen auf zweimal Neunzig Grad links unterm Hotel durch. Rausbeschleunigen, mit leicht slidendem Hinterrad, die Blade liegt weiter gut in der Hand, kurze einen Gang hoch und am 50ziger Schild wieder nachhaltig in die Rechts vor der Boxeneinfahrt reinbremsen. Kurz Gas und Rechts auf Start-Ziel. Puh, da geht noch mehr!
Zurück an der Box, mit richtig guten Eindrücken im Kopf, ging der Erste Blick in Richtung Hinterrad, Gummiwürste begutachten. Aber welche? Gefühlt hatte der S21 ordentlich leiden müssen. Optisch sah das ganz anders aus, waren sogar noch Teile der Dekorillen zu erkennen. Auch vorne sah er nicht nach inzwischen drei Vollgas-Turns aus – Respekt Bridgestone, der hält wohl wirklich deutlich länger!
Nach einer kurzen Pause verifizierte ich das erlebte mit einer „normalen“ Honda Fireblade, also ohne Öhlins Federelemente und Brembo Bremsanlage. Dasselbe Bild – auf der Bremse absolut zielgenau und ohne störendem Aufstellmoment, dazu noch bereit jede Richtungsänderung präzise auszuführen. Da stört auch nicht, dass die Hinterhand bei brutalen Bremsmanövern leicht zu tänzeln beginnt, da es sich sehr schön kontrollieren lässt. Geht es anschließend wieder mit Nachdruck raus aus den Ecken, so kann man sich auf das extreme Gripniveau des S21 verlassen und selbst ohne Traktionskontrolle beherzt angasen. Selbes galt auch für die Suzuki GSX-R1000, die sich quasi ähnlich wie die Fireblade verhielt.
Fazit
Am Ende des Tages – und diesmal konnten wir das wörtlich nehmen, denn es war 24 Uhr – standen 40 Sportbikes in der Boxengasse mit Reifen, die locker mehrere solcher Abende durchhalten könnten. Preislich ruft Bridgestone etwa 20 Prozent mehr vom Kunden ab als noch beim S20 EVO, der übrigens weiter im Sortiment verbleibt. Dafür bekommt man den derzeit wohl besten Straßensportreifen aufgezogen, der allein wegen seiner längeren Laufleistung den Mehrpreis allemal rechtfertigt. Insbesondere das Vorderrad hat mit seiner Stabilität und sensiblen Rückmeldung nachhaltig Eindruck hinterlassen.
Text:
Rainer Friedmann ‚Kraftrad‘
Bilder:
Rainer Friedmann ‚Kraftrad‘, Bridgestone
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