Battlax Racing R11 – so bezeichnet Bridgestone ihren neuen profilierten Rennreifen als direkten Nachfolger des R10. Aber warum Profil und Renngummi? Wozu braucht´s das denn? Ein Testtag auf dem Circuito Monteblanco nähe Sevilla sollte eindrücklich Aufschluss geben.
Es ist kurz nach acht, leicht verschlafen steigen Redakteuren und Tester aus dem Shuttle und ziehen ihre Taschen hinter sich in die malerische Boxenanlage des nicht so bekannten Racetracks zwischen Sevilla und Huelva. Erste Sonnenstrahlen streicheln über den Asphalt, der als extrem rau und reifenfressend bekannt ist. Das Thermometer zeigt bereits schon über 20 Grad und die Wetter-Apps versprechen wolkenlose 35 Grad am Nachmittag. Der andalusische Spätsommer packt im Oktober nochmals voll zu. Na ob das so geplant und gewollt war von Bridgestone? Verspricht ein harter Tag für Mensch, Maschine aber vor allem für den R11 zu werden!
Mehrere Gummimischungen war gestern
Bevor wir den Gummi nun aber in die Asphaltporen pressen, noch ein paar Infos zum Reifen. Bridgestone verwendet im R11 nicht nur mehrere Gummimischungen, sondern nun auch einen fein abgestuften Karkassenaufbau, genannt V-MSB (Variable Mono Spiral Belt). Hier wird der endlos gewickelte Stahldraht in der Mitte extrem eng gewickelt und nach außen hin immer weiter aufgelockert. So erhält man einen Stufenlosen Übergang in der Steifigkeit des Reifens, was insbesondere am Vorderrad hohe Stabilität beim anbremsen verspricht, aber Agilität beim Ein- und Umlegen zulässt. Durch dieses mehr an Flexibilität in der Konstruktion, erhöht sich zudem der Druck auf den Asphalt im Kontaktbereich, was wiederum mehr Seitenkräfte zulässt. Am Hinterreifen haben die Entwickler zusätzlich einen sogenannten GP-Belt auf der Lauffläche verbaut, der aus dem erfolgreichen Battlax Slick V02 stammt. Hierdurch soll konstante Performance und eine entsprechende Lebensdauer sichergestellt werden.
Neben den optimierten Mischungen und innovativen Karkassengestaltung, legten die Bridgestone Ingenieure einen großen Fokus auf das Laufflächenprofil. So wurde Abnutzungswinkel in der Beschleunigungsphase sowie die Verformung beim Verzögern und in Kurven analysiert und daraus ein optimales Profildesign entwickelt.
Weich, wenn´s drauf ankommt
2 Gruppen, 6 Turns a 20 Minuten, 4.430 Meter Strecke mit 11 Rechts und 7 Linkskurven, dazu noch eine knapp ein Kilometer lange Startzielgerade warten auf den vorgeheizten mit 2,1 bar vorne und 1,6 bar befüllten R11. Na dann ab in den Reifenarbeitstag.
Gleich zu Beginn auf der Yamaha R6 war klar, dass die tollen Marketingsprüche für das Vorderrad auf jeden Fall mehr als zutreffend sind. Auf der Gerade pfeilgenau, beim anbremsen stabil und zielsicher und im Ein-/Umlenken extrem gutmütig. Insbesondere bei schnelle Richtungswechseln, spürt man seine Agilität und Leichtfüßigkeit.
Schnell wuchs das Vertrauen und somit auch die Wahl der Bremspunkte. Mit der MV-Agusta F3 – übrigens das Bike, das mich beim Test am meisten faszinierte – setzte sich dieses Gefühl weiter fort. Die Traktionskontrolle konnte getrost deaktivieren bzw. auf schwächste Stufe gestellt werden, denn der Hinterreifen setzte alles in nachhaltigen Vortrieb um.
Mit den Tausendern hatte der R11 dann doch mehr zu tun. Insbesondere der Hinterreifen kam in tiefen Schräglagen und bei schnellem öffnen der Drosselklappen an seine Grenzen bzw. benötigte etwas Unterstützung der Traktionskontrolle. Das Vorderrad hingegen blieb selbst in der Nachmittagshitze auf Topniveau. Selbst auf der R1M, mit der ich die höchste Geschwindigkeit am Bremspunkt auf Startziel erreichte, konnte brutal geankert und auf der Bremse eingelenkt werden, die Front tat zu jeder Zeit dies was man von ihr wollte.
Wie lange hält er durch?
Zur Mittagspause hin, wechselten die Mechaniker fast alle Hinterreifen. Diese hatten zwar noch ordentlich Profil vorzuweisen und wären nach FIM-Regeln sogar zum Rennen zugelassen worden, doch am Mittag warteten erbarmungslose 35 Grad Luft und weit über 50 Grad Asphalttemperatur auf ihn. Dazu noch der mörderische Asphalt mit seiner rauen und teilweise rissigen Oberfläche, was den Reifen nochmals mehr abverlangt.
Insbesondere bei Bikes wie einer Standard Fireblade oder GSX-R1000, deren Fahrwerke mehr zum sportlichen cruisen gebaut wurden, kompensierte der R11 fehlende Dämpfereigenschaften. Im Vergleich zeigte die ZX-10RR und R1M mit ihren Hightech-Fahrwerkselementen, dass diese extrem wichtig für ein gutes Reifenmanagement und fallende Rundenzeiten sind.
Performanceseitig ließen aber weder der Vordere, noch der Hintere Pneu irgendwann nach. Man konnte über die komplette Laufleistung und vor allem bei extrem heißen Bedingungen, auf die Performance setzten und aufs Ganze gehen.
Gummis für Racer und Profil – warum eigentlich?
Aber warum Kompromisse zwischen Slick und straßenzugelassenen Reifen? Entweder zieh man sich einen sportlichen Pneu für die Straße auf, benötigt dann entsprechendes Profil und Eigenschaften um eine Zulassung zu erhalten oder man setze auf Slicks und nutze deren Performance für schnelle Runden auf dem Racetrack. Eine Mischung von beidem, mit er man im Grunde nur auf der Rennstrecke fahren darf, macht wenig Sinn! Diese Frage stellt sich einem recht schnell. Beschäftigt man sich aber näher mit den Regularien im Road-Racing wird schnell klar, dass hier profilierte und straßenzugelassene Reifen im FIM Regelwerk vorgeschrieben sind.
Wer nun aber die pfiffige Idee hat – cool, mit V02 ähnlichen Slick-Mischungen in Italien den Mendelpass-Rekord zu knacken, der sollte diesen Plan gleich wieder verwerfen. Denn der R11 muss zwingend auf mind. 60 Grad vorgeheizt werden.
Brauch ich ihn dann überhaupt auf der Rennstrecke?
Auf Road-Racing Events werden die wenigsten von uns als Fahren gehen. Muss ich dann überhaupt den R11 in meine Wahl für das nächste Rennstreckentraining ziehen? Ja absolut! Der R11 hat sicher nicht die letzte Performance eines reinrassigen V02 Slicks, dafür kommt er mit nicht optimalen Setups extrem gut klar, ist gutmütiger und vor allem einfach in der Handhabung. Einmal aufgewärmt, kann er auch mal ohne Reifenwärmer auf seinen nächsten Turn warten und muss nicht ständig auf höchster Temperatur gehalten werden.
Fazit
Mit dem Battlax Racing R11 bietet Bridgestone einen profilierten Rennreifen, der verdammt nahe am Slick dran ist, im Road-Racing sicher große Erfolge einfahren wird und gerade für ambitionierte Renntrainingsteilnehmer eine tolle Basis bieten sowie den Geldbeutel schont. Insbesondere das Vorderrad überzeugt mit tollen Feedback, sattem Grip und Stabilität in allen Lagen.
Bilder: Rainer Friedmann ‚Kraftrad‘, Bridgestone, Jonathan Godin
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