Wie ein Süchtiger, musste ich immer wieder an diese Street Triple RS denken, die wir pünktlich zu Saisonbeginn in Barcelona auf der MotoGP-Strecke Curcuit de Catalunya testen durften. Laufend trieb mich die Frage um, wie solch ein auf Sport getrimmtes Bike, welches eher eine auf Rennbetrieb oder zügiges Fahren abgestimmte Leistungscarakteristik besitzt, mit engen und teils schlechten Passstraßen zurechtkommen würde. Besteht hier auch die Gefahr ihr zu verfallen? Also musste der Beweis erbracht werden und so durfte die Street Triple RS mit zum 13.Fireblade-Touren-Treffen 2017 in die Dolomiten.
Ganz allein ist sie hier inzwischen auch nicht mehr, findet man doch unter den Teilnehmern schnell gut 2 Hände voll Gleichgesinnter die der Versuchung Street Triple nach ihrer Fireblade-Zeit nicht mehr widerstehen konnten. So war es auch nicht wirklich verwunderlich, dass sich schnell eine kleine Menschentraube um die Neue bildete. Allerdings war ich überrascht, dass Triple-Fans nicht wirklich sofort erkannten, dass es sich um die neue RS handelte mit eben dem größeren Hubraum und der aggressiveren Optik.
Im Gespräch wurde dann aber allen schnell klar, dass hier kein Update steht, sondern eine neu geschmiedete Waffe für die Straße. Denn 123 Pferdestärken in der RS-Version – übrigens die Basis der Moto2 ab 2019 – mit 77 Newtonmeter aus 765 Kubikzentimeter sind 16% mehr als früher. Dazu hat die neue bei 4000 Touren schon mehr Drehmoment anliegen als ihre Vorgängerin in der Spitze. Und beim Gewicht hat die Engländerin ebenfalls nachgelegt und es mit 186 Kilogramm zur leichtesten ihrer Klasse gebracht.
Tourentauglich
Also dann, Gang rein und ab durch ein wahres Motorradeldorado, den Dolomiten. Mit dem drehen am Zündschlüssel, dem ziehen der Kupplung und dem betätigen des Ganghebels, legt man sofort ein Schalter im Kopf um, der einen Eins werden lässt mit der Streety, der einen von Kehre zu Kehre flitzen lässt, der einem Lust auf den Tag macht. Ein Grund hierfür ist sicher, dass die Britin selbst bei meiner Größe eine nahezu perfekte Ergonomie bietet und man sich sofort am richtigen Platz fühlt. Des Weiteren erzeugt ihre Airbox ein so brachiales und sportliches knurren, dass süchtig danach macht und einen in den Bann zieht. So freut man sich vor jeder Kehre, danach wieder herausbeschleunigen zu dürfen um das brummen genießen zu können.
Genießen kann man aber auch die Präzision und Linientreue mit der die kleine Engländerin ans Werk geht. Sie bringt ihren Piloten genau dorthin wo er möchte und ist selbst bei zügiger Gangart auf schlechten Straßen spielerisch zu beherrschen. Hat man dann noch die Pirelli Diablo Supercorsa SP Serienbereifung auf Temperatur, ist der Grand zum Verlust seiner Fahrerlaubnis extrem schmal.
Irgendwie möchte man nicht mehr stoppen, wedelt von einer Kurve in die nächste, bremst jede Kehre noch später an – die Brembo M50 Monoblock-Bremssätteln unterstützen einen hierbei aber auch hervorragend – und zieht aus selbiger noch sportlicher raus. Selbst enge Kehren und extrem langsame Passagen, sind spielerisch zu bewältigen. Und gerade auf schlechteren Straßen, die es in den Alpen zu Hauf gibt, bietet einem die voll einstellbare Showa „Big Piston“ Gabel sowie das ebenfalls voll einstellbare Öhlins STX40 Zentralfederbein, die nötige Sicherheit und Gefühl fürs Vorderrad.
Sicher ist die RS extrem straff abgestimmt, für sportlich ambitionierte Fahrer aber genau richtig. Was man natürlich merkt ist, dass die Streety sich in höhere Drehzahlen etwas wohler fühlt. Aber selbst im untertourigen Bereich, in dem mit Sicherheit die R-Version noch besser agieren wird, hängt die kleine schön am Gas und zieht sauber linear über das komplette Drehzahlband durch. Der elektronische Gasgriff geht hierbei sehr weich und gut dosierbar zur Sache. Einzig der Quickshifter, welchem die Blipper-Funktion fehlt, ist bei langsameren Geschwindigkeiten nicht immer präzise. Was dem Fahrfluss aber auch keinen Abbruch tut und man eben hin und wieder einfach mit Kupplung oder leichtem Gaslupfen schaltet.
An der Tankstelle überrascht die RS mehr als positiv. Denn trotz der oftmals weit geöffneten Drosselklappen, lässt sie sich mit 4,9 bis 5,3 Liter/100Km bewegen. Will man überhaupt etwas Negatives an ihr finden, so kann man sich über das sinnbefreite anbringen des Kupplungszuges überm Zündschloss aufregen. Denn bei jedem Halt entsteht ein wildes Gefummel mit dem edlen Zündschlüssel. Und wenn wir schon dabei sind, dann ist noch der teils schwer zu erreichende Seitenständer zu nennen, der etwas Übung und nicht zu grobes Schuhwerk fordert. Beim LED-Tagfahrlicht haben die Mannen von der Insel sicher ein stylisches Highlight gesetzt, doch empfand ich es als nicht auffallend genug in den Bergen, sodass unsere Touren mit traditioneller Beleuchtung bestritten wurden.
Ein absolutes Musthave ist dagegen die kleine Zubehörscheibe. Sie leitet den Wind optimal an und um den Fahrer herum, passt super ins Gesamtbild und bietet darüber hinaus sicher auf einer Autobahnfahrt oder der Rennstrecke entsprechende Vorteile. In Sachen TFT-Display haben die Designer mehr als tolle Arbeit geleistet. Es ist in jeder Lage und selbst bei direkter Sonneneinstrahlung hervorragend ablesbar, erstrahlt mit brillanten Farben und biete tollen Einstell- und Anzeigemöglichkeiten.
Fazit
Mit der Street Triple RS lässt sich nicht nur auf der Rennstrecke mächtig viel Spaß haben, sondern auch bei einer gepflegten Alpentour mit Freunden. Mit ihr ist man jederzeit Herr der Lage, sei es beim chilligen cruisen oder auch mal beim zügigen Angasen. Sitzposition, Handling und Ansprechverhalten sind perfekt, Leistung gibt in allen Lagen satt und qualitativ bewegt sich die Engländerin auf einem extrem hohen Niveau. Dass der Schaltautomat im Landstraßenbetrieb nicht immer passt ist zu verschmerzen, dafür funktioniert das Getriebe mehr als sanft und präzise. Wer es also sportlich mag oder einfach gerne eine Top Ausstattung möchte, der kommt um die Street Triple RS nicht wirklich herum – Suchtpotential eben.
Was sagt eine erfahrene Street Triple Fahrerin dazu?
StreetSus: Ich fahren nun schon seit 2007 die Street Triple. Angefangen mit der ersten in Roulette Green, danach die 2013er Street Triple R und aktuell die 2015er Street Triple Rx. Von Modell zu Modell wurde die Streety handlicher, agiler, sportlicher und erwachsener. Mit der Rx fühle ich mich bereits extrem wohl und konnte mir nicht vorstellen, dass es noch besser gehen könnte.
Und es geht doch wirklich besser! Die Ergonomie bzw. der Sitz ist für mich perfekt, der etwas breiter anmutende Lenker verschafft mir mehr Sicherheit, die Lenkerspiegel bieten eine tolle Sicht nach hinten und das Display ist zum Verlieben.
Fahrwerksseitig ist die RS deutlich feinfühliger als noch meine Rx und Leistungstechnisch steht sie über allem. Ich kann mit Ihr entspannt dahincruisen und die Landschaft genießen, aber auch beim Überholen mal ordentlich durchziehen. Soundmäßig ist das schrillere Kreischen meiner Rx kaum mehr zu vernehmen bzw. wird durch den tollen Airbox-Sound übertönt.
Wenn nun noch der Quickshifter im Cruisingmodus genauso gut funktionieren würde wie unter Volllast, der Zündschlüssel einfach einzuführen – hier ist der Kupplungszug im Weg – und der Seitenständer gut zu finden wäre, dann hätte ich überhaupt nichts an ihr zu bemängeln.
Für mich war es auf der einen Seite mega schön die RS testen zu dürfen auf der anderen Seite geht sie mir nun nicht mehr aus dem Kopf und lässt meine Rx irgendwie alt aussehen.
Text:
Rainer Friedmann ‚Kraftrad‘
Bilder:
Rainer Friedmann ‚Kraftrad‘, Klaus Stenzel ‚Stenz‘
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