Mit der Produktion von Stahl und Teilen für die Schwerindustrie, hat sich Thyssenkrupp ab der Jahrtausendwende einen Namen in der Welt gemacht. Nun könnte dieser Weltkonzern mit einer genialen Produktionstechnik in der Motorradszene eine gewichtige Rolle spielen – ultraleichte Carbonfelgen mit Straßenzulassung. Ich konnte diese edlen Felgen zusammen mit dem neuen Metzeler Racetec RR CompK Slick auf der BMW S 1000 RR auf dem Circuito De Almeria im direkten Vergleich testen.
Wir weben uns eine Felge
Aus dem Rennsport ist Carbon nicht mehr wegzudenken, steht dieser Werkstoff doch für Gewichtsoptimierung und hohe Beanspruchungsfähigkeit. Dennoch sind Carbonfelgen in der MotoGP (noch) verboten, da bei den bisherigen Herstellverfahren, wo einzelne Carbon-Lagen miteinander verklebt werden, Risse aufgetreten sind. thyssenkrupp Carbon Components – kurz TKCC – mit Sitz in Kesseldorf bei Dresden könnte dies ändern.
Denn sie flechten auf der derzeit weltgrößten Radialflechtanlage mit einem Kranzdurchmesser von nahezu 10 Metern – die irgendwie an den Film Stargate erinnert – mit 300 Spulen edler Carbonfasern das komplette Felgenbett und verbinden in diesem Prozess den Felgenstern und die Felgennabe. Abschließend werden die Fasern in Kombination mit speziellen Kunststoffen noch final ausgehärtet, wobei der innere Felgenrand leicht angeraut ist um maximalen Kontakt zum Reifen gewährleisten zu können.
Da TKCC mit höchsten Fertigungsstandards arbeitet, manuelle Eingriffe auf ein Minimum reduziert und so enge Toleranzen garantieren kann, bekommen ihre Felgen nach einer standardisierten Prüfung eine Freigabe vom Kraftfahrtbundesamt (KBA) und haben so als erste Carbon-Felge eine ABE!
Aktuell gibt es die Felgen für alle gängigen Supersportler. Wichtig dabei ist, dass diese mit den serienmäßigen Aufnahmen angeboten werden, sodass zum Beispiel Bremsscheiben direkt ohne Anpassungen montiert werden können.
Vorurteil Montage
Wer heute bereits Magnesium oder Carbon-Felgen im Einsatz hat, dem treibt es die Schweißperlen auf die Stirn, wenn er mache Reifenhändler mit Stemmeisen an den Felgen arbeiten sieht. Diese Angst ist bei der TKCC Felge unbegründet, denn sie kann wie eine Standardfelge bearbeitet und montiert werden. Sprich, was die normale Felge aushält, hält die Carbon-Felge bei weitem aus – sonst würde es auch keine ABE geben!
Was bringt überhaupt eine leichte Felge?
Rotierende und ungefederte Massen beeinflussen das Handling eines Fahrzeuges nachhaltig. Denn bei jeder Richtungsänderung müssen diese Massen aus ihrer natürlichen Bahn bewegt werden. Je höher diese sind, umso höhere ist der notwendige Kraftaufwand. Jedoch sorgen gerade diese Massen aber auch für einen stabilen Geradeauslauf und Unempfindlichkeit bei ungeplanten Einwirkungen von außen. Mit den TKCC Felgen kann man diese Masse nun um gut 40% reduzieren, denn ein normaler Alu-Felgensatz liegt bei ca. 8 Kilogramm, während das Carbon Vorderrad mit 1,9 Kilogramm und das Carbon Hinterrad mit 2,9 Kilogramm zusammen unter 5 Kilogramm auf die Waage bringen.
Unterschied beim Fahren
In der Tat spürt man den Unterschied gleich beim ersten Einlenken. Denn die zuvor mit der Standard Felge erarbeiteten Brems- und Einlenkpunkte passen nicht mehr! Man ist viel zu früh dran bzw. kann später bremsen und deutlich leichter einlenken. Extrem fällt der Unterschied bei schnellen Richtungsänderungen auf, die deutlich leichter von der Hand gehen. Geradeauslauf ist unverändert gut, wenngleich man sich an die deutlich direktere Einwirkung von Lenkimpulse gewöhnen bzw. umstellen muss.
Neuer Einsteiger Rennreifen von Metzeler
Was wäre eine Felge ohne den passenden Gummi? In diesem Fall den neuen Metzeler Racetec RR CompK Slick in Soft und Medium. Hierbei handelt es sich um einen „Einsteigerslick“, der bei weitem mehr kann und mit der Leistung einer Suzuki GSX-R1000R und BMW S 1000 RR sehr gut zurecht kam. Mit diesem Pneu möchte Metzeler alle diejenigen Kunden ansprechen, die nicht oft auf der Rennstrecke unterwegs sind oder erste Erfahrungen im Slick-Bereich machen möchten. Laut Metzeler hält der Reifen gut 600-700 Kilometer durch, was in der Regel einem 2-Tage-Renntraining entspricht.
Der Reifen verhält sich extrem neutral und hielt über den ganzen Tag verteilt jeder Zeit sein Niveau. Man muss bedenken, dass die Bikes jeden Turn im Einsatz waren und somit locker zum Mittag bereits das 2-Tages-Pensum voll war! Das Vorderrad gibt´s nur in Soft und hätte vom Reifenbild her locker nochmals 2 Tage durchgehalten. Hinten kann man zwischen Soft und Medium wählen, wobei die softe Mischung etwas mehr Grip bietet.
Slick-Typisch, müssen diese Pneus vorgeheizt werden, wobei am Nachmittag die Reifenwärmer leider unbemerkt aus waren und wir mit handwarmen Gummis trotzdem schnell voll ans Gas konnten. Druckseitig ging es mit heiß 2,3 vorne und 1,6 Bar hinten an den Start, wobei der CompK Slick hier nicht so empfindlich ist wie Hypersportslicks. Ebenso verhält es sich mit dem Fahrwerk, denn auch hier sich keine Anpassungen notwendig um den Gummi verwenden zu können.
Fazit
Das Erlebnis des direkten Umstiegs von Standard auf Carbon-Felgen war extrem beeindruckend. Die deutlich höhere Agilität und gestiegene Handlichkeit faszinierte. Natürlich sind 3.500 Euro für den Standard-Carbon-Felgensatz erst mal eine Ansage, doch bekommt man dafür ein Straßenzugelassene Tuningteil, welches den Fahrspaß direkt beeinflusst und verbessert. Ich bin mir sicher, dass diese Felgen bald unter vielen Supersportlern sich drehen werden!
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