Road 5 – Motorradbegeisterten ist dies sofort ein Begriff! Ergänzt werden schnell Michelin und Pilot, wobei letzteres in der 5.Generation des überaus erfolgreichen Sport-Touring-Reifens nicht mehr vorkommt. Mit über 1,5 Millionen verkauften Pilot Road 4 Gummis, versorgte Michelin unzählige Bikes mit einem Pneu der besonders im Nassen die Messlatte bis heute legt. Andere Hersteller zogen inzwischen mächtig nach, sodass es Zeit wurde eine neue Stufe zu erklimmen.
Die französischen Entwickler um Mickael Precigout setzten sich das Ziel weiter im Nassen den Benchmark zu sein, gleichzeitig aber beim Trockengrip deutlich nachzulegen, dabei jedoch die Stabilität zu halten sowie im Handling und Komfort keine Abstriche in Kauf nehmen zu müssen. Wer sich mit Reifentechnik schon mal etwas tiefer beschäftigt hat wird schnell anmerken, dass maximaler Nassgrip und brutaler Trockengrip, insbesondere in Kombination mit Wärme, sich nicht immer ausgehen. Denn für Nässe benötigt man Silica, welches bei sportlicher Herangehensweise schnell an seine Grenzen kommt. Will man aber sportlichen Trockengrip, dann müssen Rußpartikel eingearbeitet werde, die wiederum Nässe hassen. Tja, und dann soll der Gummi auch noch mit den unterschiedlichsten Maschinen harmonieren und eine entsprechend lange Laufleistung bieten – die Quadratur des Kreises also.
Zur Präsentation der Quadratur lud Michelin auf den Circuito Monteblanco in der Nähe von Sevilla ein. Dabei diente dies wunderschön gelegene Anlage mehr als Testcenter und Homebase für diverse Workshops.
Die Herausforderung der Quadratur
Um den angestrebten Performancezuwachs erreichen zu können, genügte es nicht ausschließlich an den Gummimischungen zu optimieren und die 2CT Technologie am Vorderrad bzw. 2CT+ Technologie am Hinterrad weiter zu schärfen. Das Geheimnis liegt im Profil und seiner Ausprägung bis in tiefere Lagen. So wendet Michelin eine Technik aus ihrer Pkw/Lkw-Sparte an und entwickelte diese konsequent für Zweiräder weiter. Die sogenannte „XST-Evo“ Technologie, oder auch „evolutionäre Lamellen“ genannt, kombiniert feine Lamellen mit einer Bohrung am Ende und großen Reservoirs im tieferen Gummibereich. Je weiter nun der Gummi verbraucht wird, je weiter öffnen sich diese Reservoirs, nehmen entsprechende Wassermengen auf und zerschneiden den Wasserfilm. Um solche Profile herstellen zu können bedarf es jedoch mächtig an Fertigungs-Knowhow und technischer Ausstattung. Die Ingenieure um Pierre Chigros entwickelten im 3D-Druck hierfür entsprechend aufwendige Heizformen sowie metallische Werkzeug-Hälften.
Damit es dem Road 5 nicht an Grip mangelt, setzt Michelin auf einen Slick-artigen Bereich an den Außenflächen und einem Hauptprofilbild welches quasi direkt vom Power RS stammen könnte. Stabilität soll Michelins ACT+ Technologie geben, bei der Kavlar statt Stahldrähte die Karkasse bilden und in Abhängigkeit der Schräglage steifer oder variabler eingearbeitet sind. Mit dieser Technik wir nebenbei auch eine relativ kurze Aufheizphase erreicht, was gerade im Touring-Bereich extrem wichtig ist.
Genug Technik, nun starten wir in die einzelnen Workshops und gehen den technischen Beschreibungen mal auf den Gummi.
1.Station – Trockengrip und Handling
Kalter Reifen, recht früh am Morgen, nicht mal 15 Grad Lufttemperatur, raus auf die Piste und den 937 Kubikzentimeter großen V2-Brennraum der Ducati SuperSport ordentlich mit Benzin-/Luftgemisch fluten. Und siehe da, nach wenigen Metern stellt sich bereits ein sehr gutes Gripgefühl ein und lässt beherzt Gasanlegen in Schräglage zu. Man merkt schnell, dass der Slick-Bereich vom Power RS abstammt und sich dieser hier mächtig sich in den rauen Asphalt krallt. Auch vorne gibt sich der Road 5 keine Blöße und zieht zielstrebig seine Kreise. Nur bei harten Bremsmanövern wird klar, dass wir hier einen Touring-Reifen aufgezogen haben, der genau jetzt keinen Komfort bieten, sondern harte Bandagen anlegen sollte.
OK – mit 93 Newtonmetern, 110 Pferden und 210 Kilogramm Bikegewicht kam der Road 5 schonmal gut klar. Nun selbiges Setup auf einer BMW S 1000 XR, mit 55 Mehrpferden, brachialen 114 Newtonmetern und gut 228 Kilogramm. Wieder überzeugte der Pneu mit mächtig Grip am Hinterrad und einer kaum eingreifenden Traktionskontrolle – man musste es schon Provozieren, dass diese einen Arbeitsnachweis abliefern konnte. Vorne war alles gut, nur in schnellen Kurven mit ordentlich Zug an der Kette, wurde es etwas indifferent. Gut, ein hochbeiniger Sporttourer ist halt doch kein Racebike.
2.Station – Nassgrip
Bei diesen Testevents freut man sich immer auf bestes Wetter mit strahlendem Sonnenschein. Daher finden diese meistens in südlicheren Regionen oder gar Übersee statt. Wie aber dann die Nassperformance eines Reifen testen? Michelin half einfach etwas nach und setzte einen Teil der Rennstrecke komplett unter Wasser. Hier konnten wir flotte Runden drehen, in einer Bremszone aus 110 Km/h (oder auch mal mehr) den Halteweg erfahren und in einer weiteren Bremszone ein Ausweichmanöver aus etwa 90 Km/h durchführen. Das Ganze einmal auf einer Triumph Street Triple RS und einmal auf der Yamaha MT10.
Beeindruckend! Unabhängig ob auf der quirligen und super agilen Engländerin oder dem japanischen Powerbike, der Road 5 bietet eine Nassperformance, die eine Vielzahl von Fahrer und Fahrerinnen nicht mal im trockenen nutzen würden. Selten habe ich mich so Wohl im Nasse gefühlt wie hier, was natürlich zu ordentlich Übermut führte! Ausweichübung, da gehen doch bestimmt auch 120 Km/h am Bremspunkt, also aus dem vorausgehenden Linksknick ordentlich raus beschleunigen, Pylone naht, voll in Hebelei hinten wie vorne greifen, ooohhhhh, Hindernis wird immer Größer und ich noch nicht so recht langsamer, voll auf beiden Bremsen bleiben und nach Links, die kleine Streety quitscht und kommt gefühlt quer, zack rechts rum und durch. Die letzte Pylone musste ich zwar innen nehmen, aber ums Hindernis, eine Smart-Pappe, kam ich rum. Kurzfazit – der Road 5 vermittelt selbst bei soviel Unvernunft hier Sicherheit und Reserven, dass man auch diese Situationen meistern kann. Beeindruckend eben.
Auf der MT10 hatte dann das Hinterrad seinen großen Auftritt und setzte die 111 Newtonmeter mit etwas Unterstützung der Traktionskontrolle mächtig in Vortrieb um. Wheelies im nassen sind schon – wie meine österreichischen Kollegen immer so schön umschreiben – `leiwand`.
3.Station – Bremswegvergleich im Nassen
Das Setting: Verglichen wurde ein neuer Michelin Pilot Road 4 gegen einen deutlich abgefahrenen Michelin Road 5 auf jeweils einer Suzuki GSX-S 750, mit 90 Kilometer pro Stunde Anlauf, einer komplett gefluteten Straße, Vollbremsung im ABS-Regelbereich bis zum Stillstand. Michelin Marketingaussage, ein 5.000 Km alter Road 5 hat einen kürzeren Bremsweg als ein neuer Road 4!
Und tatsächlich bewies uns Michelins Testfahrer in mehreren Bremsversuchen, dass diese mit einem weit abgefahrenen Road 5 und XST-Evo Technologie deutlich kürzer ausfallen als mit einem fabrikneuen Road 4 – im Mittel waren es 3,3 Meter kürzerer Bremsweg (33,6 Meter)!
4.Station – Landstraße
Nun zum eigentlichen Terrain des Michelin Road 5. Bei inzwischen angenehmen 20 Grad ging es ins andalusische Hinterland auf gut 140 Kilometer toll ausgebaute und wenig befahrenen Straßen mit schnellen aber auch teilweise tricky Kurven.
Da Drehmoment nie eine Sünde ist, starte ich mit der Triumph Speed Triple und brutalen Aprilia Tuono V4 1100 RR. Der am Vormittag gewonnene Eindruck setzte sich nahtlos fort. Beim zügigen cruisen bietet der Road 5 ein erhabenes Gefühl an Sicherheit und Komfort, dabei kündigt er seine Grenzen extrem weich und gutmütig an. Mühelos lässt sich das gesamte System von einer zur nächsten Ecke schwingen. Steigert man den Vortrieb, so wird dieser kompromisslos umgesetzt. Schnelle Kurven meistert er tadellos und bringt seinen Piloten genau dorthin wo er will. Verzögert man nun aber deutlich sportlicher und nutzt die Performance eines Power Naked Bikes weiter aus, wird klar, dass der Road 5 zum Touren entwickelt wurde und nicht die Bremsstabilität und Feedback eines Power RS bieten kann.
Für mich überraschend gut funktionierte der Road 5 auf der deutlich schwereren Kawasaki Z1000SX. Extrem souverän ging es vorwärts und die eben noch bemängelte Stabilität beim sportlichen abkanten war hier kein Thema. Aufstellmoment in Kurven praktisch null, Rückmeldung und Handlichkeit auf höchstem Niveau, da passte alles. Hinter dem ehemaligen GP-Pilot und Bol d´Or Sieger von 1994 Dominique Sarron konnten man also den Tag nochmals sportlich ausklingen lassen.
Fazit:
Der Michelin Road 5 nimmt Regen, zumindest fahrerisch, jeglichen Schrecken. Im nassen glänzt nicht nur das Asphalt, sondern auch der französische Gummi. In Sachen Trockengrip wurde deutlich zugelegt und ein wirklich potenter Reifen entwickelt, der einen flotten Landstraßenstrich gerne mitgeht. Möchte man aber noch sportlicher unterwegs sein, so empfiehlt sich der Griff ins Nachbarregel zum Power RS, denn der Road 5 hat seinen Schwerpunkt dann doch mehr auf der touristischen Seite.
Bilder: Rainer Friedmann ‚Kraftrad‘, Michelin
Beim Trockengrip nachgelegt? Hoffentlich. Hatte den Pilot Road 4 auf der ‚kleinen‘ Honda NC750 und war vom Trockengrip alles andere als überzeugt. Speziell beim Rausbeschleunigen aus Kurven hat sich das ganze für mich nicht wirklich sicher angefühlt. Als der runter war, kam der Pirelli Angel GT als Nachfolger, den hatte ich mir auf Empfehlung etwas vorher schon auch auf der großen 1200er Suzuki aufziehen lassen. Das Verhalten ist für mich deutlich vertrauenserweckender als das des PiRo 4. Nasshaftung ist für mich nicht so das endskrasse Thema, bin eher der Schönwetterfahrer.
Wenn Michelin beim 5er nachgebessert hat, könnte ich mir aber durchaus vorstellen Michelin Reifen aufm Moped nochmal eine Chance zu geben.
War überrascht, wie gut der Reifen hier ging. Sicher besser als beim 4er.
Da die meisten wirklich nur eher einen „touristischen“ Ausflug über die Landstraßen fahren als eine sportliche Aktivität ausüben, denke ich, dass der Road 5er mehr als ausreichend ist.