Die Yamaha MT-09 war von Beginn an ein Renner, welche als Basis für mehrere Varianten diente. Über die Zeit zog die Konkurrenz jedoch nach und nahm der japanischen Triple wichtige Marktanteile weg. Nun legt – auch der EURO5 Norm geschuldet – Yamaha ordentlich nach. Bereits bei der Vorstellung Ende 2020 wurde klar, hier will jemand die obere Mittelkasse der Naked Bikes wieder zu seinen Gunsten drehen.
Vor wenigen Tagen testete der extrem erfahrene Journalist Ulf Böhringer das Neue, nun 889 Kubikzentimeter große, CP3 Aggregat in der MT-09 auf verschlungenen Bergstraßen Spaniens. Direkt danach, auf seinem Heimflug, konnte er mir 10 Fragen zum Bike beantworten, die Euch ein Gefühl geben, was uns 2021 hier erwartet.
1) Erster Eindruck, erster Anblick – was hast Du dabei empfunden, welche Gedanken zum Bike gingen Dir durch den Kopf?
Schon immer war die MT-09 die Inkarnation des Slogans „The dark side of Japan“, ein Ausdruck der Subkultur. Diesem Rufe wird die neueste Auflage noch stärker gerecht; jetzt schaut sie aus wie ein japanischer Transformer. Man kann das mögen, muss aber nicht.
2) Optisch – insbesondere an der Front – hat sich ja einiges verändert. Erkennt man sie noch als MT-09? Was meinst, kommen die Fans mit dem neuen Anblick zurecht?
Von vorne betrachtet sieht die MT-09 mit ihrem runden LED-Projektionsscheinwerfer in der Tat deutlich anders aus als zuvor. Wer das Bike von der Seite betrachtet, vermag die Ähnlichkeit der Silhouette dagegen gut zu erkennen.
3) Yamaha verspricht deutlich mehr Leistung und Agilität im Triple-Aggregat. Spürt man die Änderung zur Vorgängerin? Wie hat die kleine Leistungspause bei ca. 5000 Touren entwickelt?
Der nun 889 Kubik große Triple bietet drei Prozent mehr Leistung (119 PS) und sogar sechs Prozent mehr Drehmoment, und zwar 93 Nm bei nur noch 7.000/min, früher lag das Maximum bei 8.500/min. an. Diese Veränderung spürt man deutlich. Der kleine Durchhänger ist verschwunden, die MT-09 gibt linear Kraft ab. Zudem sind die Gänge eins und zwei etwas kürzer übersetzt, was ebenfalls für mehr Dampf sorgt. Ein feiner, enorm kräftiger Motor!
4) Ergonomie – die Vorgängerin bestach durch eine unkomplizierte Sitzposition, jedoch auch durch eine recht neutrale Positionierung des Piloten. Was empfindest bei der Neuen und denkst Du, dass sie auch Soziustauglich ist?
Die Ergonomie der neuen MT-09 ist ausgezeichnet; die weitaus niedrigere Position des Lenkkopfs wird durch lange Riser kompensiert. Die Lenkergriffe liegen einige Millimeter höher und weiter vorne, die Fußrasten ebenfalls geringfügig höher und weiter hinten. Heraus kommt eine sportlich-entspannte Sitzposition, die mir als „Normalmann“ perfekt passt. Die Sache mit der Sozia ist dagegen eine andere: Wenn sie sehr schlank und gelenkig ist, wird sie ein Weilchen sitzen können, ansonsten bieten das kurze Polster und die hoch montierten Rasten wohl keinen nennenswerten Komfort.
5) Elektronik darf heute in einem modernen Motorrad nicht mehr fehlen. Ist alles an Board was es braucht und funktioniert´s?
In diesem Kapitel liegt der wohl größte Unterschied zum Vormodell: Der Einbau einer Sechsachsen-Sensorbox mit IMU macht ein Kurven-ABS und eine mehrfach einstellbare und auch abschaltbare schräglagenfähige Traktionskontrolle möglich. Dazu kommen eine Slide-Control und auch eine Abheberegelung fürs Vorderrad. Zudem gibt es vier Riding-Modes, von denen drei vorkonfiguriert und einer individuell aufgesetzt werden kann. Was will man mehr?! Ich nix!
6) Inzwischen sind wir mitten im EURO5 Zeitalter angekommen, bedeutet auch entsprechende Lärmbestimmungen. Wie ist denn der Sound? Angenehm für die Umwelt? Kommt dennoch was bei rüber?
„Lauter ist nicht besser“ sagte man bei Yamaha vor der Entwicklung der neuen, um 1,4 Kilo leichteren Auspuffanlage. Getreu dieser Überzeugung ging man dann zu Werke. Die MT-09 klingt gut, ohne den Bogen zu überspannen. Das passt!
7) Wir sprechen hier von einem Naked-Bike der (oberen) Mittelklasse mit knapp 120 PS und guten Fahrwerkskomponenten – braucht es aus Deiner Sicht überhaupt noch mehr und wer wir ihr größter Konkurrent sein?
Dass der Spaß am Motorradfahren nicht von der Leistung abhängig ist, wissen wir alle. Die MT-09 ist hervorragend motorisiert, hat Dampf in allen Lebenslagen. Hier muss man zudem auf das geringe Gewicht von 189 Kilo fahrfertig verweisen. Mehr Leistung? Für mich passt die Kombination perfekt. Unter Wettbewerbsgesichtspunkten betrachte ich die MT-09 als sichere Bank, sofern die Kunden sich mit der Optik anfreunden können. Aber eine KTM 890 Duke, deren Eckdaten ziemlich ähnlich sind, wird ja zumeist auch nicht als Schönheit empfunden… In jedem Fall erscheint mir die Yamaha als wirklich preisgünstig. Die SP? Ich persönlich brauch sie nicht, aber es gibt ja (noch) mehr…
8) Die bisherige MT-09 war/ist in jeder Varianten ein Renner. Würdest Du nach dem Erlebten nun sofort zum Yamaha-Händler Deines Vertrauens gehen und das Vorgängermodell tauschen?
Schwer zu sagen. Einerseits war das bisherige Modell ein angenehmer Zeitgenosse und bekanntlich gewöhnt man sich ja an die Eigenheiten von Motorrädern schnell und auch gründlich. Wer mit dem etwas merkwürdigen Einlenkverhalten der letzten Version gut umgehen kann, muss nicht zwingend wechseln. Aber unterm Strich ist die dritte Generation um eine ganze Stufe nach oben gerückt. Sie ist bis auf geringfügige Kleinigkeiten ein ausgezeichnetes Motorrad.
9) Stell Dir vor es wäre nun Deine MT-09, die Dich die nächsten Jahre begleiten würde. Was würdest Du an ihr ändern?
Drei Dinge gibt’s aus meiner Sicht zu kritisieren, von denen sich zwei nicht ändern lassen. Die Anzeigen im TFT-Display für Wegstrecke, Verbrauch u.ä., die mittels Rändelrad herbeizitiert werden können, sind arg klein geraten und deshalb nicht gut ablesbar. Und selbstrückstellende Blinker hat sie auch nicht. Zudem fehlen ihr Winkelventile zur leichteren Kontrolle des Reifenluftdrucks. Da würde ich persönlich über eine Nachrüstlösung nachdenken.
10.) Mit etwas Abstand vom Test, was ist Dir am stärksten in Erinnerung geblieben?
Es ist vieles gut gelungen an der MT-09: Motor, Quickshifter, Elektronik, Ergonomie, Handlichkeit und Agilität. Besonders vorteilhaft ist aber zudem ihre leichte Zugänglichkeit: Es braucht im Grunde keine Eingewöhnung, um sich auf diesem Motorrad wohl zu fühlen. Alles geht spielerisch, von der Kupplung übers Einlenken bis zum Schalten und Bremsen. Das Gesamtpaket ist stark, der Preis von 9.800 Euro dafür nicht zu viel. Das dürfte der MT-09 eine Zeit starker Nachfrage bringen.
Bilder: Yamaha
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